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Johann Joachim Winckelmann im Kreise der Gelehrten

Klaus-Werner Haupt

1. Theobald Reinhold Anton Freiherr von Oer – ein talentierter Maler und herausragender Illustrator des 19. Jahrhunderts

2. Winckelmann im Kreise der Gelehrten in der Nöthnitzer Bibliothek – eine szenische Darstellung zu Theobald von Oers Historiengemälde

3. Johann Joachim Winckelmann als Wegbereiter der Weimarer Klassik

ISBN: 978-3-86397-096-3

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Sempergalerie

Sempergalerie

Klaus-Werner Haupt

„Kunst ist schön, aber macht nur Arbeit.“

Bis zum Sommer 2020 werben der Schriftzug THEN IS NOW und Raffaels lümmelnde Engelchen – eine Lichtinstallation des österreichischen Künstlers Peter Baldinger – für einen Besuch der Dresdner Sempergalerie. Deren Wiedereröffnung am 28. Februar bewirkte mediales Interesse über die Stadt Dresden und den Freistaat Sachsen hinaus, die Kunstwerke der Sempergalerie genießen Weltruf. Sieben Jahre lang war sie für mehr als 50 Millionen Euro saniert worden.

„Kunst ist schön, aber macht nur Arbeit“, so Mark Rutte, der Ministerpräsident der Niederlande, in seinem Grußwort. Die beiden sächsischen Kurfürsten August I. (der Starke) und sein Sohn August II. hätten einen beachtlichen Beitrag zum Entstehen einer gemeinsamen europäischen Kultur geleistet, zum Austausch von Ideen und zur Verbundenheit zwischen Deutschland und den Niederlanden.

Zwischen 1723 und 1726 erwarb König August II. von Polen/Kurfürst August I. von Sachsen (1670–1733) die brandenburgische Sammlung antiker Plastiken, kurz darauf 200 Antiken aus dem Besitz der römischen Kardinäle Flavio Chigi und Alessandro Albani – darunter der sogenannte Dresdner Knabe (eine Kopie aus dem 1. Jh. n. Chr.). Die Aufstellung der Sammlung erfolgte im Palais des Großen Gartens. 1736 kaufte Augusts Sohn in Wien mehrere Gewandstatuen: die sogenannten drei Herkulanerinnen. Winckelmann fand sie elf Jahre später nicht „in einem Schuppen von Brettern“, doch „wie die Heringe gepacket“ in einem der Pavillons. Die „große Manier in ihren Gewändern“ machte die drei Herkulanerinnen zu Schlüsselwerken seiner revolutionären Kunsttheorie.

König August III. von Polen/Kurfürst August II. von Sachsen (1696–1763) war vor allem leidenschaftlicher Sammler von Kupferstichen und Gemälden. In den Jahren 1742 und 1743 vermehrte er die Dresdner Sammlung um 715 Werke. Mit Renaissancegemälden aus der Modeneser Sammlung des Herzogs Francesco d'Este wurde sie zu einer der bedeutendsten Galerien jener Zeit. Dem Kunstagenten Francesco Algarotti zu verdanken ist Jean-Étienne Liotards Schokoladenmädchen (um 1744) – „das schönste Pastell, das man je gesehen hat“. Seine Beliebtheit übertraf nur Antonio Correggios Altartafel Die Heilige Nacht (1528/30). Ab 1747 gelangten mehr als 4.700 Kunstwerke in das Galeriegebäude am Dresdner Neumarkt. Der venezianische Maler Bernardo Bellotto, der sich nach seinem Onkel Canaletto nannte, schuf die berühmten Veduten (Abb. 2). Eine neue Künstlergeneration löste die Meister des Barock ab. In seinem unvollendet gebliebenen Essay Beschreibung der vorzüglichen Gemälde der Dreßdner Gallerie (1752) machte Johann Joachim Winckelmann auf 68 italienische Gemälde aufmerksam – und damit auf sich selbst.

Der Neumarkt in Dresden vom Jüdenhofe aus
Der Neumarkt in Dresden vom Jüdenhofe aus

Am 1. März 1754 erreichte ein weiteres Glanzstück den Dresdner Hof – das Hauptaltarblatt der Klosterkirche San Sisto in Piacenza. „Platz für den großen Raffael!“, soll der König triumphierend gerufen und seinen Thron beiseite gerückt haben. Das „ausgewitterte“ Bild löste weniger Empfindungen aus, der Name war wichtig. Wieder war es Winckelmann, der sich die Beschreibung der Sixtinischen Madonna (1512/13) zur Aufgabe machte. Für ihn verkörperte die Sixtina die Schönheitsideale der Antike. „Wie groß und edel ist ihr ganzer Contur!“, schwärmte er. Raffaels Madonna avancierte zum bekanntesten Renaissancegemälde überhaupt.

Im Jahre 1782 gelang in Rom der Ankauf von Anton Raphael Mengs´ legendärer Abgusssammlung. Die Galerie am Neumarkt zog nun Reisende aus ganz Europa magisch an. Im März 1768 kam der Student Johann Wolfgang Goethe und nahm sich zwölf Tage Zeit für die Galerie. „Dresden ist ein Ort, der herrlich ist ...“, ließ er seinen Freund Behrisch wissen. Mitte des 19. Jahrhunderts entstand nach Plänen des Architekten Gottfried Semper ein repräsentatives Galeriegebäude an der Nordseite des Zwingers. Angesichts der „Masse des Herrlichen“ schrieb der Kunsthistoriker Jakob Burckhardt: „O du gütiger Gott, wie soll ich´s hier nur anfangen?“

Sempergalerie und Theaterplatz um 1900
Sempergalerie und Theaterplatz um 1900

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde die Sempergalerie geschlossen, die von den Nationalsozialisten nicht als „entartet“ ausgesonderten Gemälde wurden in Sicherheit gebracht. Im Februar 1945 fiel das barocke Dresden in Schutt und Asche. Nach Kriegsende nahmen 1.700 Gemälde den Weg in die Sowjetunion. Nach deren Rückführung konnte die sanierte Sempergalerie am 3. Juni 1956 wiedereröffnet werden. Allerdings gelten hunderte Gemälde als vermisst oder für immer verloren.

Von 1988 bis 1992 wurde der Semperbau rekonstruiert. Um den Besuchern des 21. Jahrhunderts die Kunstwerke zeitgemäß repräsentieren zu können, war auch von 2013 bis 2020 viel Arbeit notwendig: Gemälde und deren Rahmen mussten restauriert, Skulpturen gereinigt und in die Sammlung integriert werden. Helles Tageslicht und raffinierte Beleuchtung machen die Reise durch die Kunstgeschichte zu einem Erlebnis.

Im Winckelmann-Forum des östlichen Erdgeschosses sind neben den Herkulanerinnen 120 antike Kunstwerke sowie neuzeitliche Plastiken und Skulpturen zu bewundern. Im Ostflügel erfreuen weitere Antiken und unzählige Abgüsse der Sammlung Mengs. Darüber hinaus erwarten den Besucher 700 Gemälde.

Blick in das Winckelmann-Forum
Blick in das Winckelmann-Forum

Über das repräsentative Treppenhaus (oder bequem mit dem Fahrstuhl) gelangt man zum ersten Obergeschoss. Dort hängen Gemälde niederländischer Meister des 14. bis 17. Jahrhunderts vor grüner, Werke italienischer Meister vor roter Wandbespannung. Raffaels Kultbild Sixtinische Madonna befindet sich in Sichtweite von Corregios Bildnis Heilige Nacht. Vor strahlendem Nachtblau präsentiert sich spanische und französische Malerei.

Kleinere Kunstwerke, wie die Bronzeskulptur des Dresdner Mars (um 1587), stehen im Dialog mit Gemälden. So ist neben Andrea del Sartos Opfer Abrahams (um 1530) eine barocke Bronzereplik der Laokoongruppe platziert. Von dem rechten der beiden Knaben ließ sich der Maler zur expressiven Figur Isaaks inspirieren. Wer die neue Sempergalerie aufmerksam durchstreift, findet aber nicht nur Reminiszenen an die Antike. Die Büste Weinendes Kind (um 1600), geschaffen von dem niederländischen Bildhauer Hendrick de Keyser, korrespondiert mit Rembrandts Gemälde Ganymed in den Fängen des Adlers (1635). Der Betrachter bemerkt verblüfft: Das Gesicht des pinkelnden Ganymed entspricht bis in die Tränen Keysers Marmorkopf!

In der Tribuna – dem Heiligtum der Florentiner Uffizien nachempfunden – grüßen vier spätbarocke Büsten. Von dort geht es ins Semperkabinett, das wechselnden Ausstellungen vorbehalten ist. Im Cranachsaal ist die Büste des Mannes zu sehen, der dort ausgestellte Werke in Auftrag gab: Friedrich III. von Sachsen (1463–1525), genannt der Weise.

Nun wird es Zeit für eine Tasse Schokolade oder „ein Schälchen Heeßen“ im Café Algarotti. Nach diesem kulinarischen Genuss geht es ins zweite Obergeschoss, das mit französischer und italienischer Malerei des 18. Jahrhunderts sowie deutscher Malerei des 16. bis 18. Jahrhunderts aufwartet. Vorbei an den Veduten des venezianischen Künstlers Bernardo Bellotto erreicht der Besucher das Pastellkabinett. Auf Seidendamast präsentieren sich hier Werke von Wilhelm Ernst Dietrich, Anton Raphael Mengs und Angelika Kauffmann. Endlich auch Liotards Bildnis eines Stubenmädchens (1744), das auf einem Tablett eine Tasse Schokolade und ein Glas Wasser serviert. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist Das Schokoladenmädchen in aller Munde.

Die Eröffnungsfeierlichkeiten endeten mit einem aufsehenerregenden Konzert, das vom Dresdner Schauspielhaus live in den nächtlichen Zwingerhof übertragen wurde. Unter dem Titel „How To Hear A Painting‎“ vertonten Christian Friedel & Woods of Birnam zwanzig Gemälde der Alten Meister. http://www.woodsofbirnam.com/

Gemäldegalerie Alte Meister

geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr

Eintritt 14 Euro , ermäßigt 10,50 Euro, unter 17 Jahre frei
www.gemaeldegalerie.skd.museum

Quellen:

Gemäldegalerie Alte Meister, Hg. Stephan Koja. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Sandstein Verlag Dresden 2020

Haupt, Klaus-Werner: Johann Winckelmann – Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaften. Weimarer Verlagsgesellschaft 2014

Abbildungsverzeichnis:

( 1 ) Lichtinstallation Raffaels Engel ( c ) Haupt 2020

( 2 ) Bernardo Bellotto (gen. Canaletto), Der Neumarkt in Dresden vom Jüdenhofe aus (1748/49).

Gemäldegalerie Alte Meister

( 3 ) Sempergalerie und Theaterplatz um 1900 ( c ) Library of Congress, Washington

( 4 ) Blick in das Winckelmann-Forum ( c ) Haupt 2020

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