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Otto Dix in Dresden

Otto Dix in Dresden

Florian Russi

„Was Mädchen doch für einen dicken Hintern haben."

Der Künstler bei der Otto-Dix-Ausstellung in Berlin 1957
Der Künstler bei der Otto-Dix-Ausstellung in Berlin 1957

Entscheidende Jahre seines 78-jährigen Lebens verbrachte Otto Dix, geboren 1891 in Untermhaus, heute der Thüringer Stadt Gera zugehörig, gestorben 1969 in Singen (Hohenzollern), in der sächsischen Hauptstadt Dresden. Mit 18 Jahren hatte der früh Begabte sich entschlossen, frei schaffender Maler zu werden. Unterstützt wurde er dabei von seinem damaligen Zeichenlehrer, Ernst Schunke. Dem gelang es auch, für seinen Schützling ein Stipendium des Fürsten von Reuß zu vermitteln, so dass Dix an der Dresdner Kunstgewerbeschule studieren konnte. Im Herbst 1909 bezog er eine Studentenbude in der Hofgartenstraße. Mit viel Engagement stürzte er sich ins studentische und kulturelle Leben Dresdens. Er schloss Freundschaften mit anderen Künstlern, suchte eifrig die Dresdner Museen auf und studierte die alten Meister. Er besuchte Ausstellungen und Kunstgalerien, genoss das Nachtleben, debattierte über Kunst, skizzierte, zeichnete und malte. In den Dresdner Anfangsjahren entstanden u. a. sein „Selbstbildnis mit Nelke" und eine später verschollene, nur noch auf Fotos dokumentierte Büste des Philosophen Friedrich Nietzsche. Stilistisch ließ er sich vom Spätimpressionismus und vom Expressionismus beeinflussen, prägte aber auch seinen eigenen Stil, einen sehr eigenwilligen Realismus. Er vertrat zeitlebens die Meinung, dass Gemälde und Zeichnungen einen Inhalt ansprechen müssten.

Früh hat Dix auch entdeckt, „was Mädchen doch für einen dicken Hintern haben" und dass die weiblichen Brüste nicht nur Lebenskraft spenden, sondern auch männliche Hormone zum Tanzen bringen können. Er nahm Maß bei Studienfreundinnen sowie den zahlreich vorhandenen Dresdner Dirnen, gab sich mit Freude und Leidenschaft dem Eros hin und brachte dies auch in Zeichnungen und Gemälden zum Ausdruck. Erotische Bildnisse, Landschaftsmalereien und Porträts bildeten den Schwerpunkt seiner ersten Dresdner Schaffensperiode. Die wurde jäh unterbrochen durch den 1, Weltkrieg (1914-1918), an dem Dix wie so viele seiner Generation als Freiwilliger teilnahm. Jetzt musste er die Erfahrung von Tod, Verwundung und Siechtum machen, was den sensiblen Künstler nachhaltig beeindruckte. 

Otto Dix, Selbstporträt 1926
Otto Dix, Selbstporträt 1926

Nach dem Ende des Kriegs drängte es Ihn wieder nach Dresden, in die Stadt und zu seinen Künstlerfreunden. An einem kalten Februartag im Jahr 1919 fuhr er auf dem Trittbrett eines überfüllten Eisenbahnwagons stehend in die sächsische Hauptstadt. Er bezog seine alte Studentenwohnung und begann, sein früheres Studenten- und Künstlerleben wieder aufzunehmen. Allerdings hatten die Kriegserfahrungen ein neues Thema in sein Werk eingeführt. Er malte Bilder, die den Schrecken des Krieges wiedergaben. Sein Gemälde „Die Kriegskrüppel" aus dem Jahr 1920 und das später folgende Bild „Der Schützengraben" zählen bis heute neben dem 1932 vollendeten Triptychon „Der Krieg" zu den bedeutendsten Antikriegsbildern.

Daneben blieb ihm der Blick auf weibliche Busen wichtig. Er malte Dirnen und Frauenakte und pflegte mit seinen Modellen auch intensive sexuelle Beziehungen. Im Frühjahr 1919 gründete er mit sieben Kollegen die Künstlergruppe „Dresdner Sezession - Gruppe 1919". Gemeinsam gaben sie sich Anregungen, beteiligten sich an Ausstellungen und förderten sich gegenseitig. Für Dix begann eine Zeit vielseitigen Experimentierens. Er nahm Kontakt zu einer Berliner Gruppe von Dadaisten auf, machte sich einiges von deren Arbeitsweise zu Eigen, fertigte Collagen und suchte nach immer neuen Ausdrucksmitteln. Er galt als sehr eigenwillig, wurde aber geachtet und fand Freunde. Als „Indianer auf dem Kriegspfad, der statt einer Axt den Pinsel schwingt" und als „Bürgerschreck" wurde er bezeichnet. Ein Freund und Förderer versuchte, ihn für die Kommunistische Partei zu gewinnen. Doch Dix wollte sich an keine Ideologie binden. Als er erfuhr, dass der Monatsbeitrag für KPD-Mitglieder 5 Mark betrug, erklärte er: „Dafür gehe ich lieber in den Puff".

Die Jahre 1919-1922 in Dresden zählen zu den ereignisreichsten seines Lebens. Nachdem ihm sein bisheriger Mentor an der Kunstgewerbeschule erklärt hatte, dass er bei ihm nichts mehr lernen könne, wechselte Dix an die Kunstakademie und wurde Meisterschüler bei dem Ornamentikprofessor Otto Gussmann. Er bekam ein eigenes Atelier zur Verfügung gestellt und Gussmann ließ ihm freie Hand bei seiner weiteren künstlerischen Entfaltung. Durch die Vermittlung eines Freundes nahm Dix Kontakt zur Düsseldorfer Galerie Ey auf, und als im Herbst 1922 sein Ausbildungsvertrag routinemäßig beendet wurde, zog er nach Düsseldorf, wo man ihm ein neues Atelier zur Verfügung stellte.

 Bildnis der Tänzerin Anita Berber - gemalt von Otto Dix 1925
Bildnis der Tänzerin Anita Berber - gemalt von Otto Dix 1925

In Düsseldorf lernte Dix Martha Koch kennen, die Ehefrau eines Arztes, der zu Dix' treuen Kunden gehörte. Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie und hatte mit ihrem Mann zwei Kinder. Man einigte sich. Dix heiratete im Jahr 1923 Martha. Die Kinder blieben beim ersten Ehemann, der hatte sich schon zuvor mit Marthas Schwester getröstet. Dix' Ehe hielt bis an sein Lebensende. Mit Martha bekam er die Kinder Nelly, Ursus und Jan. Er hatte nun eine Familie, ließ sich dadurch aber nicht in seinem freizügigen Lebensstil einschränken. Nicht nur als Künstler sondern auch in erotischen Dingen soll er sich eigenwillig über Konventionen und Normen hinweg-gesetzt haben.

1927 wurde er als Professor an die Kunstakademie nach Dresden berufen. Bereits 1933, dem Jahr, in dem die Nationalsozialisten im Deutschen Reich an die Macht gekommen waren, wurde er jedoch wieder entlassen. Die Nazis bezeichneten Dix' Werke als „Entartete Kunst" und sogar als „gemalte Wehrsabotage". Zweihundertsechzig seiner Bilder mussten aus deutschen Museen entfernt werden. Dix entzog sich daher dem Blickfeld der nationalsozialistischen Kulturaktivisten. Er nahm mit seiner Familie Wohnsitz in Hemmenhofen am Bodensee und malte und zeichnete Landschaftsbilder und unpolitische Themen.

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges nahm er wieder Kontakt zu früheren Kollegen auf, fand aber weder in der DDR noch in Westdeutschland eine künstlerische Heimat. Er kehrte zurück zu seinem eigenen expressionistischen Stil, den er auch als „Neue Sachlichkeit" bezeichnete. Trotz seines Sonderwegs wurde er weiterhin hoch geachtet. in der Bundesrepublik erhielt er u. a. das Große Bundesverdienstkreuz, den Hans Thoma- und den Lichtwark-Preis, in der DDR wurde er zum Ehrensenator der Dresdner Akademie der Künste und zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt Gera ernannt.

Bis 1966 hielt er sich wieder häufig in Dresden auf. Dort besuchte er regelmäßig seine Freundin Käthe König, mit der eine Tochter hatte, die zusammen für ihn eine Art ostdeutsche Parallelfamilie bildeten.

Otto Dix ist heute als einer der bedeutendsten Maler des 20. Jahrhunderts allgemein anerkannt.


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Literatur:
Nicole Bröhan: Otto Dix, Berliner Köpfe, Band 1, Jaron Verlag, Berlin 2007, ISBN: 978-3-89773-126-4.

Bilder:
- Vorschaubild: Otto Dix, Selbstbildnis im Profil nach rechts, 1922. Ausschnitt aus einer Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1991.
- Otto Dix bei der Otto Dix-Ausstellung in Berlin 1957. Bundesarchiv, Bild 183-45912-0002 / CC-BY-SA via Wikimedia Commons
- Otto Dix, Selbstportät 1926. Fotoausschnitt der öffentlichen Informationstafel in St. Goar. Urheber: Leonce49 at de.wikipedia, CC BY-SA 2.0. via Wikimedia Commons.
- Bildnis der Tänzerin Anita Berber - gemalt von Otto Dix 1925. Briefmarke der Deutschen Bundespost 1991. Quelle: Wikimedia Commons.

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