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Zu Gast in Weimar

George Eliot; deutsche Übersetzung: Nadine Erler

Zu den vielen Künstlern, die es nach Weimar zog, gehörte auch die englische Schriftstellerin George Eliot. Im Sommer 1854 verbrachte sie drei Monate im kleinen, doch weltberühmten Städtchen an der Ilm. George Eliots schriftlich festgehaltenen Eindrücke sind äußerst amüsant. Dieser Blick einer Fremden lässt Weimar in anderem Licht erschienen.

Broschüre, 40 Seiten, 2019


Dresden und die Umgegend: Moritzburg

Dresden und die Umgegend: Moritzburg

Wilhelm Adolf Lindau

Dresden und die Umgegend: Moritzburg

Aus den Baumpflanzungen zwischen dem schwarzen und weißen Thore führt uns eine junge Allee rechts von Neudorf zu dem Gasthofe zum wilden Mann, drei Viertelstunden von Dresden, am Fuße des Trachenberges. Wir steigen hier in dem hohen Walde hinan. Weinberge und freundliche Ansiedlungen blicken auf beiden Seiten aus dunkeln Nadelholzwipfeln hervor. bei der Bauwiese, wo wir ausruhen und Erfrischungen erhalten können, finden wir auf dem Weinberge einen günstigen Standort zum Ueberblicke der Landschaft. Nach einer halben Stunde erreichen wir das Chausseehaus. Hier tritt die Berghöhe aus dem Walde. Die Gegend von Moritzburg liegt vor uns, und im Hintergrunde ragt nordöstlich der hohe Augustusberg, oder Keulenberg, hervor. Auf beiden Seiten breiten sich die Fluren der Dörfer Boxdorf, Reichenberg und Wainsdorf aus. Am 6. Novbr. 1813 waren diese höhen der Schauplatz eines heftigsten Gefechtes, als die französische Besatzung von Dresden, unter dem Marschall Gouvion St. Cyr und dem Grafen Lobau, den vergeblichen Versuch machte, sich durch die Heerabtheilung der Verbündeten, welche die Stadt auch auf dieser Seite einschlossehn, durchzuschlagen. Durch das schöne Dorf Reichenberg und über Dippelsdorf läuft die Landstraße nach Großenhain zu dem Auerhause, einem Wirthshause mitten im Friedewalde, der sich nordwärts bis Steinbach und Naunhof zieht. Wir aber folgen der schönen Kastanienallee, die sich rechts vom Chausseehause öffnet, und jenseit eines Wäldchens durch hohe Lindenreihen fortgeführt wird. In einer Stunde kommen wir auf diesem Wege, wo sich links bei einer steinernen Windmühle der schöne Marktflecken Eisenberg zeigt, zu dem königlichen Jagdschlosse Moritzburg und finden in dem wohl eingerichteten Gasthofe au bon marché gute Bewirthung.

Das alte Schloß, welches, rings von einem breiten Wassergraben umgeben, auf einer felsigen Anhöhe liegt, wurde vom Kurfürsten Moritz erbaut, vom Könige August II. aber verschönert und oft zum Schauplatze prächtiger Feste gemacht. Ein breiter Damm, der Linden und Kastanienbäume und vier Pavillions trägt, trennt den Wassergraben von dem großen Schloßteiche, welcher gegen Abend über 1000, gegen Morgen 900 Ellen breit ist. Eine Zugbrücke führt zum Haupteingange des Schlosses, das drei Stockwerke und in den Ecken vier große Thürme hat. Der Bettmeister zeigt uns das Innere.

Zwei prächtige Treppen, mit Bildwerken und Gemählden geschmückt, führen aus dem Erdgeschosse, wo wir treffliche Felsengewölbe sehen, in den großen Tanzsaal, dessen Wände 72 vergoldete Hirschköpfe mit Geweihen von 24 bis 50 Enden zieren. Ein großer Schrank bewahrt viele Denkmahle von den Prunkfesten der Vorzeit, allerlei Trinkgefäße, die sich durch auffalende Größe, oder seltsame Gestalt, auszeichnen. in einem Buche sind die Nahmen aller Gäste aufgezeichnet, die in jener glänzenden Zeit hier speiseten. Von dem Balkon des Saales übersieht man mehre Gänge, welche den Wald durchschneiden. Den Audienzsaal zieren Tapeten mit Bildern aus der Diana-Fabel, und unter vielen Hirschgeweihen auch eines von 66 Enden. Auf den Tapeten eines andern Saales sieht man Jagdabenteuer aus dem Leben August II. Unter andern Bildern zeichnet sich eine Jagd auf der Annaburger Heide, ein Oehlgemälde, aus, das über 40 fein gemahlte Bildnisse nach dem Leben enthält. Ueberhaupt hat das Schloß 7 große Säle und gegen 200 Zimmer. Die Kapelle, welche im Jahre 1661 gegründet, 1720 aber dem katholischen Gottesdienste geweiht wurde, ziert ein Altargemählde auf Holz. Auch sieht man hier das lebensgroße Bild des gegeisselten Heilandes von fleischfarbigem Marmor mit blutrothen Flecken.

Ungefähr eine halbe Stunde weiter, auf einem Hügel am Ufer des großen Teiches, oder des sogenannten Bernsdorfer See´s, erhebt sich das schöne, neue Schloß, das erst im Jahre 1769 erbaut wurde, wo der Hof bei den Jagden, die im Winter gewöhnlich wöchentlich gehalten werden, einkehrt. Am Ende des Teiches ist ein Hafen mit einem Leuchtthurme; die kleine Fregatte aber, die hier seit 1790 lag, wurde im letzten Kriege zerstört.

In dem anmuthigen Walde, der diese Gebäude umgibt, sehen wir noch viele Teiche, auf deren glattem Spiegel Kraniche, Schwäne und seltene Wasservögel schwimmen. In der Nähe des neuen Schlosses schimmern Goldfasane aus ihren Gittern. Im Thiergarten finden wird Gehäge, wo wir weiße und bunte Hirsche und Rehe erblicken, und ummauerte Behältnisse mit wilden Schweinen für die Hetzjagd. Hier erhebt sich auf einer Anhöhe ein achteckiges Gebäude, das Hellhaus, von dessen flachem Dache wir in acht Waldgänge sehen. Wenn die Jagd den Wald belebt, weht eine Fahne von dieser hohen Warte, den Weg zu bezeichnen, den das Wild genommen hat. Südwestlich vom neuen Schlosse grünen üppige Wiesen aus dem Walde hervor. Am südöstlichen Ufer des großen Teiches ist ein Entenfang. Von hier gehen wir zu den Stallgebäuden an der Dresdner Straße, die für 180 Pferde eingerichtet sind. In dem großen Hofe dieses Gebäudes werden jährlich gegen Ende des Herbstmonats die Pferde, welche polnische Roßhändler bringen zum Erstenmahl gezäumt, die alsdann an die Reiterei abgeliefert werden. Wir versäumen auch nicht, die auch im heißesten Sommer kühle, sehenswerte Grotte zu besuchen, welche, eine Viertelstunde vom Schlosse entfernt, links im Walde, gegen 120 Schritte lang und 8 Schritte breit, durch einen Felsen läuft. Auf der Felsenkuppe über der Wölbung, welche man die hohe Burg nennt, weil hier eins eine Burg gewesen sein soll, übershen wir weit umher die Waldlandschaft mit ihren glänzenden Wasserspiegeln.

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Wilhelm Adolf Lindau, Dresden und Umgegend. Zweiter Theil. Zweite verbesserte Auflage, Dresden 1822, S. 280-283.

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