"Elbdampfschiffahrt stromaufwärts"
"Sie ist allen denen zu empfehlen, welche die herrlichen landwirtschaftlichen Schönheiten des Elbtals in Muße kennen lernen wollen, da sich vom Deck der Dampfer ein weit freierer und schönerer Blick auf die Ufer bietet, als aus den engen Abteilfenstern der schnell dahinjagenden Eisenbahnwagen. Die Fahrt bietet mannigfach wechselnde Blicke auf die Ufer der Elbe. Phantastische Felsgebilde, teils zierlich, teils grotesk, schauen hernieder auf die vorbeiziehenden Schiffe; prächtige Buch- und Nadelwälder treten bis an den Strom heran, grüne Matten und Weingelände, schmucke Dörfer, steile Felsen und oft bis zur Höhe reichende gesegnete Fluren wechseln unablässig. Die oberen Strecken Dresden-Pillnitz-Pirna-Königstein-Schandau bieten geradezu entzückende Bilder, auf der Strecke von Dresden talwärts bis Meißen ist die landschaftliche Schönheit von feinerem poetischen Reiz.
1. Dampfschiffahrt von Loschwitz und Blasewitz vom Terassenufer aus. Fahrt durch die Carola-, dann Albertbrücke, links Waldschlößchen, Saloppe (Restauration), unterhalb derselben das erste Dresdner Wasserwerk. Darauf folgen drei schloßartige Villen: Schloß Albrechtsberg (kenntlich an der Kolonnade vor dem Schlosse nach der Elbe zu), Villa Lingner und Schloß Eckberg (kenntlich an seinem gotischen Stil). Die beiden ersten, zusammen gewöhnlich Albrechtsschlösser genannt, wurden 1850-54 vom preußischen Landbaumeister Lohse für den Prinzen Albrecht von Preußen und seinen Hofmarschall Baron von Stockhausen im Stile Schinkels erbaut. Schloß Eckberg, 1860 gotisch erbaut, ist ein Hauptwerk Friedrich Arnolds und eine hervorragende Zierde der Landschaft. Villa Albrechtsberg gehört zurzeit dem Geh. Kommerzienrat Lingner, Eckberg früher dem Generalkonsul Wunderlich. Es folgen: Loschwitz mit Gasthof Demnitz, Garten an der Elbe, Burgberg auf halber Höhe, weiter oben: Schöne Aussicht, Luisenhof, Loschwitzhöhe, (alle mit weiter Fernsicht). Hübsche Kirche von George Bähr, dem Erbauer der Frauenkirche, Herrmanndenkmal, Ludwig Richterdenkmal, Rote Amsel (Fachwerkhaus mit Gemäldesammlung des Malers Leonhardi), Schillerhäuschen, Schillerstr. 19 (Don Carlos 1785-1787). Über Drahtseilbahn und Schwebebahn siehe Weißer Hirsch.
Blasewitz, mit Loschwitz durch eine stattliche Hängebrücke verbunden ("Blaues Wunder"), schöner, vornehmer Villenort. Aus Schillers Wallenstein bekannt die "Gustel von Blasewitz". Schillergarten an der Elbe, Dampfschiffrestauration und Hotel Bellevue ebenfalls an der Elbe; Goethegarten am Schillerplatz.
Es folgt an der Elbe: Wachwitz, im Frühjahr wohnt der König hier auf seinem Weinbergsgrundstück. Größere Abstecher: durch den Wachwitzgrund (im Anfang ländliche Häuschen abwechselnd mit villenartig gebauten, dann die beiden Seiten bewaldet) nach Oberrochwitz und über Gönnsdorf nach dem Friedrich-August-Turm, rückwärts über Pappritz, Helfenberger Grund, Staffelstein (schöne Aussicht).
Setzen wir von Wachwitz die Fahrt auf der Elbe fort, so kommen wir zur nächsten Station Niederpoyritz, dann nach Laubegast (Denkmal der Neuberin); an der Elbe reizend gelegen Engaus Café und Weinstube, hübscher Rosengarten, Erinnerungen an Bismarck; Hosterwitz (Keppschloß der Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz, Villa der Prinzessin Mathilde, Karl Maria v. Weber-Haus [Freischütz, Oberon]), Ausflug durch den kleinen romantischen Keppgrund zur Keppmühle, 3/4 Stunde (Restauration); Klein-Zschachwitz (Kurhaus mit Konzertpark); Pillnitz (Elbsalon, Schloßrestauration, Gasthof zum Löwen), Kgl. Schloß, Sommerwohnung des Königs, 1720-23 erbaut im chinesischen Stil von Longuelune, *Schloßgarten bei Abwesenheit des Königs ohne weiteres zugänglich (prächtige Koniferen, Palmenhaus, Orangerie; größter Kamelienbahm Europas im Freien [6 1/2 m hoch, hier seit 1801, mit Heizanlage]); Schloß zugänglich in Abwesenheit des Königs durch den Schloßverwalter. - Ausflug zum Borsberg (1 Stunde: von der Landungsstelle geradeaus, beim Löwen links, dann aufwärts durch den *Friedrichsgrund, von der Meixmühle (Restauration) in 20 Minuten zum Borsberg (355 m), Restauration, Plateau über dem Felsenzimmer mit *Aussicht auf die Sächsisch-Böhmische Schweiz. Rückwärts über Dorf Borsberg zur künstlichen Pillnitzer Ruine. Bei Pillnitz in Großgraupa, das durch eine schöne Kastanien-Allee bequem zu erreichen ist, das Haus, wo Richard Wagner den Lohengrin schrieb, mit Bildern und Andenken an R. Wagner."
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Kummer, Friedrich, Dresden und das Elbgelände. Ein Reiseführer aus dem Jahr 1912, Dresden 1912, S. 140ff.