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"Sachsen ist ein schönes Land, Dresden äußerst angenehm, und der Hof einer der liebenswürdigsten in Deutschland. Die Höflichkeit gegen Fremde ist da aufs höchste getrieben. Das Frauenzimmer ist lebhaft, sanft und geistreich; der Himmel ist schön, die Gegenden herum lachend und die Tafel vortrefflich. Das ist in Wahrheit ein reizendes Land, und die Sachsen würden nur ein zu glückliches Volk seyn, wenn sie nicht einen Helden zum Nachbar hätten. Oh! das ist eine schlimme Nachbarschaft, die eines Erobrers und eines Volkans. Die Lage von Dresden gleicht der von Portici vor einem Getöse des Vesuvs. Eine Matrone sprach mit mir von dem Andenken des Bombardements dieser Stadt im letzten Krieg mit dem nämlichen Entsetzen und fast in dem nämlichen Ausdrücken, als ein Alter zu Portici von dem schrecklichen Toben des Vesuvs 1768.
Nichts giebt mir so vollkommen das Bild des Kriegs als die Lava. Denk dir ein reiches Gefilde, mit Weinbergen, Triften und Fluren bedeckt: Ein Feuerstrom kommt, und in einem Augenblick ist das lieblichglänzendste Land in das düsterste, ödeste Gemäauml;lde verwandelt, das nur irgend die Natur darbieten kann. Das ist die Geschichte des tobenden Vesuvs, und die GEschichte der Pfalz in den Händen des Türenne.
Die Reisenden überhaupt bleiben nur kurze Zeit in Dresden, und thun sehr unrecht. Es ist für alle die ein merkwürdiges Land, die die Naturkunde, Gemälde, und die schöne Natur in jeder Gattung lieben. Wenn die Preussen Deutschlands Macedonier sind, so sind die Sachsen seine Athenienser. Ich habe kein Land gesehen, wo mehr Geschmack, mehr Annehmlichkeit und mehr Vergnügen des Geselligen herrschte.
Im Vatikan lernt man die Meisterstücke Raphaels bewundern; zu Dresden lernt man die Gemälde Corregios werthschätzen. Raphael ist fast allgemein als Monard des Malerreichs erkannt. eine consularische Regierungsform gefiele mir besser; ich wünschte, er hätte den Corregio zum Collegen gehabt. ich weiß, daß alle Halbkenner wider mich seyn werden, und ich will ihnen die Ursache davon sagen: Entweder sie haben die schönsten Stücke dieses Meisters nicht gesehen, oder sie haben sie nur so obenhin gesehen. Seine besten Werke sind zu Parma und Dresden, und diese zwo Städte betrachtet ein Reisender blos nebenher auf der Durchreise. Vielleicht bringt er drey Morgen in dieser Gallerie zu, er will alles sehen, und natürlicher Weise, er sieht nichts. So verfährt er zu Parma, und siehe, da ist er in Rom. In allen Gesellschaften, wohin er kommt, wenn von der Malerey die Rede ist, hört er nur den Raphael nennen. Spricht ein Fremder vom Corregio, so gestehen ihm die Römer zwar viel Verdienst zu; aber sie fühlen das nicht, was sie sagen. Denn sie haben von ihm nichts weiter gesehen, als einige außerordentlich mittelmäßige Stücke, die zu Rom sind. Diese nun vergleichen sie mit den Meisterstücken Rapahels, und man erräth leicht ihre Schlußfolge. [...]"
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aus: Martin Sherlock, Briefe eines Engländers auf seiner Reise nach Berlin, Dresden, Wien, Haag, Rom, Neapolis und Ferney, Frankfurt/Leipzig 1780, S. 30-33.