Dresden-Lese

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Caspar David Friedrich

Caspar David Friedrich

Christoph Werner

Wer sich, meine Leserinnen und Leser, in das Bild Caspar David Friedrichs „Der Chasseur im Wald" (gemalt 1813/14, befindet sich in Privatbesitz), in „Mönch am Meer" (entstanden 1809-10, befindet sich im Schloss Charlottenburg in Berlin) vertieft hat, oder in eine Kopie des 1945 vernichteten Bildes „Klosterfriedhof im Schnee", der ahnt etwas von der existenziellen Gemütsverfassung und besonderen, aus der Natur geschöpften Religiosität des Malers.
Friedrich kam im Herbst des Jahres 1798 nach Dresden, wo er bis zu seinem Tode blieb. 1805 fand er, anfangs von Goethe gefördert, erste breitere Anerkennung. 1810 wurde er Mitglied der Berliner Akademie, 1816 der von Dresden, doch blieb seine Hoffnung auf ein Lehramt unerfüllt. Zu Friedrichs einflussreichsten Bewunderern zählte seit 1820 der spätere Zar Nikolaus I., dessen gelegentliche Ankäufe, auch nachdem der Ruhm Friedrichs zu verblassen begann und ein Schlaganfall 1835 seine Arbeitsfähigkeit herabgesetzt hatte, den Künstler vor bitterster Not bewahrte.
In meinem biografischen Roman „Um ewig einst zu leben, Caspar David Friedrich und Joseph Mallord William Turner" versuche ich, Ihnen, meinen Leserinnen und Lesern, Friedrich und Turner und ihre Art der Weltauffassung, wie sie sich in ihren Bildern spiegelt, nahe zu bringen. Lesen Sie im Folgenden einen Ausschnitt aus Teil 2, Kapitel 3 und 4 des Buches:

Die Lebensstufen
Die Lebensstufen

  Über diesen Gedanken hätte Gottlieb fast seinen Gast vergessen, den das jedoch nicht anfocht. Er stand nämlich mittlerweile vor dem rechts neben der Tür in gutem Licht hängenden Ölgemälde „Der Chausseur im Wald" und betrachtete es nachdenklich.

Der Pfarrer trat zu ihm und blickte ebenfalls auf das Bild.

  „Schauen Sie etwa kritisch, lieber Freund?" fragte er. „Sie haben doch mit Ihren Mitteln, ohne Ihrer malerischen Eigenart untreu zu werden, Ihre vaterländische Gesinnung bekundet. Und da war kaum ein Besucher der seinerzeitigen Kunstausstellung, der davon nicht berührt wurde."

  „Ja", erwiderte Friedrich, „das Bild ist ein Gleichnis auf den Untergang der Armee Napoleons in Russland."

  Lebhaft übernahm Gottlieb wieder das Wort.

  „Den Schritt verhaltend, lauscht der versprengte französische Soldat in die Waldesstille, und der Beschauer vermag die Furcht nachzuempfinden, die ihn in der ausweglosen Einsamkeit bei hereinbrechender Nacht beschleicht. Und Sie haben, lieber Friedrich, unabhängig von diesem patriotischen Gehalt mit den einfarbigen bräunlichen Tönen einen spezifischen Zustand winterlicher Natur erfasst. Und wie die Rückenfigur der im Vergleich zu dem ungeheuren Wald kleinen Gestalt des Soldaten dem Beschauer die Landschaft erst recht erschließt."

  Friedrich war, trotz seines verschlossenen Wesens, wie alle Künstler sehr empfänglich für Lob, besonders, wenn es so sachkundig und seinen Absichten beim Malen des Bildes so entsprechend geäußert wurde.

  Gottlieb hatte sich in Begeisterung geredet.

  „Und der französische Chasseur ist nicht nur eine verlorene Gestalt und sieht als Teil der Armee des Usurpators seinem verdienten Schicksal entgegen. Er ist auch ein Mensch - und in diesem Sinne kommt er mir gar nicht klein vor - der Mitgefühl erregt und auch Achtung erzeugt als Ergebnis einsam-stolzer Selbstbehauptung. Er sieht seinem Schicksal gefasst entgegen, und seinen Degen hat er noch an der Seite, um sich in der Not verteidigen zu können. Dabei erwartet ihn, wie der Totenvogel auf dem Baumstumpf im Vordergrund andeutet, der sichere Untergang. Angesichts dieser Hoffnungslosigkeit in sinnender und stolzer Haltung zu verharren ist achtenswert."

  Der Pfarrer hielt inne und löste seinen Blick langsam vom Bild. Sie standen schweigend nebeneinander. Dann sagte Friedrich:

  „So wie ich mir als Maler einen äußersten individuellen Ausdruck gestatte und darin erst das Wesen der Kunst, das subjektiv ist, erfüllt sehe, muss ich dem Beschauer meiner Bilder erlauben, sie nach seinem Gusto zu empfinden. Und so kann denn ein unpolitischer Mensch dieses Bild auch als Landschaft betrachten, in der sich ein Soldat befindet, der sich von seinem Lager zu einem Spaziergang in den Winterwald aufgemacht hat und bald wieder zu seinen Kameraden, den Rabenvogel von seinem Baumstumpf vertreibend, zurückkehren und mit ihnen gemeinsam nach geordnetem Rückzug die Heimat erreichen wird."

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Christoph Werner, 2006. Um ewig einst zu leben. Caspar David Friedrich und Joseph Mallord William Turner. Roman. Weimar: Bertuch-Verlag.

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