Wie kein anderer Name ist der von Johann Friedrich Böttger mit der Entwicklung des sogenannten Jaspisporzellans (heute Böttger-Steinzeug genannt!) und des europäischen Hartporzellans am Anfang des 18. Jahrhunderts verbunden.
Getauft in Schleiz am 05. Februar 1682, kann im Februar 2012 also Böttgers 330'ten Geburtstages gedacht werden. Im Vorfeld dieses Anlasses brachte der Dresdner Buchverlag im November 2011 die von Hans-Joachim Böttcher verfasste Biografie „Böttger - Vom Gold- zum Porzellanmacher" heraus.
Der folgende Textteil stellt daraus einen Auszug dar. Darin wird aus dem an dramatischen Wendungen nicht armen Leben Böttgers eine Phase beschrieben, in der dieser ab September 1707 in Dresden unter der Leitung des Wissenschaftlers Ehrenfried Walther von Tschirnhaus sich an dessen Porzellanforschungen beteiligen musste. Schon wenige Wochen später gelang es in dieser sehr arbeits- und erfolgreichen Zeit die wesentliche Zusammensetzung von Hartporzellan zu entwickeln. Ob Böttger oder Tschirnhaus daran der Hauptverdienst zuzuschreiben ist, darüber kam es schon wenige Jahre später zu kontroversen Ansichten, die hoffentlich mit dieser Biografie nun ein für allemal ausgeräumt sind.
... Böttger und seine Gehilfen brachte man am 22. September 1707 in Dresden in eine für sie völlig neue Unterkunft - die Jungfernbastei des um 1550 angelegten und 1590 verstärkten vorspringenden Ostteiles der Stadtbefestigung an der Elbe. Einen prägnanten Blickfang stellte hier zu jener Zeit der sich etwas westlich davon befindende prunkvolle Lustpavillon dar. Aber nicht in diesem wurde Böttger einquartiert, sondern in einem extra für ihn errichteten winzigen von Palisaden umgebenen Häuschen. Über eine Treppe war es möglich, von hier in die fast dunklen und als Arbeitsräume wenig geeigneten Kasematten zu gelangen. In diesen befanden sich schon ein Laboratorium für den Hofapotheker Werner und eine von Tschirnhaus geleitete Werkstatt zur Bearbeitung von Crottendorfer Marmor, die er nun als Labor nutzen wollte.
Für Böttger hatte man einen weiteren Raum abgetrennt. Vollständig eingerichtet zeigte der sich natürlich nicht, da er und seine Leute das selbst nach ihren Anforderungen erledigen sollten. Böttger machte dazu allerdings erst einmal wenig Anstalten denn aufgrund der erneut eingetretenen Verschlechterung seiner Lebens- und Arbeitsverhältnisses war er sehr übellaunig. Zur Sicherung der Einrichtung und natürlich um ein Entweichen der Staatsgefangenen zu verhindern, stand ein Trupp Soldaten bereit.
Die Leitung und technische Überwachung der geplanten Versuche hatte selbstverständlich Tschirnhaus übernommen. Zu seiner Unterstützung berief dieser in der Folge zeitweise Pabst nach Dresden wie auch mehrere von ihm ausgewählte Berg- und Hüttenspezialisten. Für Böttger sollte nun eine ganz neue Phase seiner Arbeit beginnen. Der musste allerdings erst einmal nach Monaten der Untätigkeit zu einer geregelten Laborarbeit zurückfinden. Das alles schien ihm plötzlich nicht recht gepasst zu haben. Schon Ende September sträubte er sich wieder gegen eine Mitarbeit bei der Erforschung des Porzellangeheimnisses. Er wolle sich nicht „in die Porcellain-Arbeit melieren [mengen] die Tschirnhausens Angelegenheit" sei, lamentierte Böttger in einem seiner Schreiben an den König. Aber es half alles nichts; das war nun sein neues Forschungsgebiet, das ihm letztlich das Leben gerettet haben dürfte. Seine vagen Goldexperimente konnten einfach nicht zum Ziel führen, was er jedoch Zeit seines Lebens nicht akzeptierte. Dass er endliche einmal einen Arbeitserfolg vorweisen musste, sah er allerdings ein - und sei es in der Porzellanforschung.
Anfang Oktober 1707 suchte der König in Begleitung von Fürstenberg und Tschirnhaus persönlich seinen Gefangenen auf. Unzufrieden über diesen äußerte er: „tu mir zurecht Böttger, sonst ..." Was unausgesprochen blieb waren vielleicht die Worte: „lass ich dich hängen!"
War es diese drohende Äußerung oder neu gewonnene Erkenntnisse in der Porzellanforschung, die ihn auf Grund seiner enthusiastischen Natur veranlassten, mehrere Tage und Nächte durchzuexperimentieren und dadurch kaum zu schlafen?
Auch in der bisherigen Arbeitstechnik hatte sich anfangs in der Jungfernbastei einiges geändert. Zuerst, solange es die Sonnenverhältnisse erlaubten, die Brennversuche mit den Tschirnhausschen Brennspiegel und -Linsen fortführend, wurde bald erkannt, dass diese für das Brennen von Erden nicht optimal geeignet waren. Darum führte man die Arbeit mit einem neu erbauten, von Pabst für dessen metallurgische Forschung entwickelten Brennofen fort. Für die Errichtung des neuen Ofens in der Bastei schickte er die beiden erfahrenen Ofenbauer Balthasar Görbig und Andreas Hoppe nach Dresden. Auch die Beschaffung von für die Porzellanherstellung geeigneten Rohstoffen, also Tonen und Erden wurde mit Hilfe von Pabst optimiert. Für das zu entwickelnde rote Porzellan erwarb man speziell roten Bolus, das war sogenannte Nürnberger Erde, und für das weiße Porzellan Waldenburger oder Colditzer Ton. Als flussfähige Erdzusätze kam Kalkspat, Marmor oder Kreide und Alabaster zum Einsatz. Obwohl Tschirnhaus selbst ein absoluter Experte in der Keramikherstellung war, ließ er gezielt bei sächsischen Töpfern noch so manch kleines Betriebsgeheimnis erkunden.
Aus seinem ureigensten Interesse heraus trieb der Wissenschaftler die Porzellanforschung auf allen Gebieten energisch voran. Im war wohl klar, dass ihm nicht mehr viel Lebenszeit bleiben würde. Der Schwerpunkt der Arbeiten basierte auf den Erkenntnissen der im Mai 1706 durchgeführten erfolgreichen Brände von Hochtemperatur verträglichen Schmelztiegeln und dergleichen Dingen. Tschirnhaus wollte offenbar schnell dem König einen Erfolg ihrer Arbeit vorzeigen können. Da er wohl befürchtete, dass das mit der Porzellanherstellung nicht zu machen sei, hatte er Böttger Anfang Oktober angewiesen die Forschungen auch auf das Gebiet der Fayencen auszudehnen. Darauf besaßen die Niederländer schon seit etlichen Jahrzehnten kein Herstellungsmonopol mehr. Auch in Deutschland gab es inzwischen einige Manufakturen, die in der Lage waren, derartige Keramik herzustellen. Allerdings noch nicht in Sachsen.
Böttger und Tschirnhaus gingen, unterstützt von Pabst, in ihren Laboratorien arbeitsteilig vor. Ersterer bemühte sich mit Hilfe der Freiberger Ofenbauer darum, stetig höhere Temperaturen mit seinem Brennofen zu erzeugen. Hier gab es mancherlei Fehlentwicklung, bis man mit Hilfe von Tschirnhaus völlig neue Wege im Ofenbau beschritt, die letztlich zum Erfolg führten. Dieser ließ dagegen durch seinen Gehilfen Samuel Kempe und ab Dezember noch zusätzlich Christoph Wieden eine Unzahl von Pabst sowie einigen Händlern beschafften Ton-, Sand-, Marmor- und Alabasterproben sichten, zermahlen und schlämmen.
Die Kosten für die benötigten Materialien, Erze, Tone und Steine, die zum Laborieren benötigten Gerätschaften sowie insbesondere der Kohlen und des Holzes waren sehr hoch - das auch dadurch, da Böttger und seine Leute viel Holz stahlen und an die Dresdner verkauften. Weil die anfangs bewilligten 200 Taler pro Monat folglich nicht ausreichten, stellte die Generalakzisiensoektion ab dem 01. Oktober 1707 den doppelten Betrag bereit. Im ersten Halbjahr 1708 stieg dieser sogar bis auf 750 Taler an.
Zu dieser Summe kamen noch Böttgers monatliche Lebenshaltungskosten von 50 Talern wie auch die Löhne der Laborgehilfen in Höhe von jeweils 8 Talern, die gesondert bestritten wurden.
Das Ergebnis der sehr intensiven und engen Zusammenarbeit zwischen Tschirnhaus sowie Böttger, aber auch mit Pabst und anderen Personen zeigte sich schon nach wenigen Wochen im Oktober 1707 - dem sechsten Jahr von Böttgers Gefangenschaft. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Forscher die Rezeptur für das „rothe porcellain" endgültig festlegen und erzielten ebenfalls die dafür erforderliche Brenntemperatur. Das entstandene rote bis rotbraune Produkt wurde bald, da es dem sächsischen Halbedelstein Jaspis ähnlich sah, nach diesem auch als „Jaspisporzellan" bezeichnet. Dessen Massezusammensetzung bestand zu zwei Drittel aus einem aus Nürnberg stammenden roten Bolus und dem Rest Ton aus der Dresdner Gegend, verbunden mit Silikat. Aber auch Eisenoxid fügte man gelegentlich zur Variierung des äußeren Erscheinungsbildes der Produkte bei.
Am 20. November 1707 ließ August II. ein umfangreiches Dekret verfassen, das im Kern ein erstes Rahmenprogramm für die zu gründende Manufaktur darstellte. Zu jener Zeit waren also schon die Geheimnisse der Porzellanherstellung im Wesentlichen gelüftet, wenngleich es noch vielerlei Detailfragen aufwendig zu erforschen galt. Aber eines stand zu diesem Zeitpunkt schon fest: dass das sächsische rote Porzellan eine höhere Qualität aufwies als das aus China importierte. Denn das neue Material zeigte sich weitaus dichter, feiner und auch härter und ließ sich dadurch schleifen sowie polieren, wodurch es in die attraktivsten bisher nicht erreichbare Formen gebracht werden konnte.
Aber das sogenannte „rote Porzellan" war eben nicht weiß und nicht durchscheinend, was das spezielle Charakteristikum des edlen und teuren Porzellans ist. Durch ihren Erfolg mit ersterer Keramik angeregt ließen Tschirnhaus und Böttger mit Hilfe von Pabst weiteres Erdreich aus verschiedenen Gegenden Sachsens sowie auch seltene Mineralien nach Dresden bringen. Damit betrieben sie neben den Forschungen zur Herstellung des roten Porzellan sowie der Optimierung der Fayencen intensiv Experimente, um weißes Hartporzellan zu erzeugen. Schon im November 1707 sollen sich einige Proben nach dem Brennen plötzlich halb durchscheinend und milchweiß gezeigt haben, also echtes Porzellan gewesen sein.
Nach mehrmaliger Einladung suchte August II. mit Fürstenberg und einigen Hofleuten Ende Dezember 1707 das Labor der Jungfernbastei auf. Erschrocken vor der unerträglichen Glut des Brennofen stehend wurde ihnen vorgeführt, wie Böttger einen Probebrand aus dem Ofen holte. Dabei handelte es sich um eine vom Hoftöpfer Fischer geformte schlichte, noch nicht ganz perfekt gebrannte Teekanne. Trotzdem erkannte der König, dass Böttger, so, wie er es angekündigt hatte, nun in Zusammenarbeit mit Tschirnhaus endlich einmal ein Versprechen halten und wirklich Großes passieren konnte ...